Nachhaltigkeitsberichte, EU-Taxonomie, Lieferketten: Was kommt auf Unternehmen zu? Und wer haftet wofür?

Ab 2025 sind alle großen, ab 2026 auch kleine und mittlere Unternehmen von der EU-Richtlinien zur Nachhaltigkeitsberichterstattung und der EU-Taxonomie-Verordnung betroffen. Im Hintergrund wird an Lieferketten-Gesetzen gearbeitet, in Deutschland ist das erste bereits in Kraft. Das hat Einfluss auf alle Unternehmensbereiche. Insbesondere für Vorstände ergeben sich daraus völlig neue Verpflichtungen und Haftungsfragen.

Unternehmen wirken auf Natur und Gesellschaft – positiv und negativ. Vonseiten der Politik wurden verschiedene Anstrengungen unternommen, um die negativen Wirkungen zu minimieren. Eine zentrale Rolle spielte dabei die NFRD-Richtlinie (Non Financial Reporting Directive) der Europäischen Union: Diese verpflichtet seit 2017 alle großen Kapitalgesellschaften mit mehr als 500 Beschäftigen, eine „nichtfinanzielle Erklärung“ in ihren Lagebericht aufnehmen – mit Konzepten zum Umgang mit Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelangen, der Achtung der Menschenrechte und der Bekämpfung von Korruption und Bestechung. Faktisch ist diese Erklärung aber nahezu wirkungslos: Sie muss lediglich vom Aufsichtsrat geprüft und der Generalversammlung berichtet werden; eine genauere Definition, was diese Konzepte beinhalten sollten, fehlt; und eine externe Prüfung ist nicht verpflichtend.

Deshalb wurde 2022 nachgeschärft und die NFRD- durch die CSRD-Richtlinie (Corporate Sustainability Reporting Directive) abgelöst. Folgende Änderungen gehen damit einher:

  • Ausweitung des Anwendungsbereichs: Große Kapitalgesellschaften, die bisher unter die NFRD-Richtlinie fielen, müssen ab dem Geschäftsjahr 2024 nach CSRD berichten (erster Bericht 2025); alle anderen großen Unternehmen, die mind. zwei der drei Kriterien Nettoumsatz über 40 Mio. Euro, Bilanzsumme über 20 Mio. Euro und durchschnittlich mehr als 250 Beschäftigte erfüllen, ab dem Geschäftsjahr 2025 (erster Bericht 2026); alle börsennotierten Klein- und Mittelunternehmen ab 2026, wobei bis 2028 eine „Opt-Out-Möglichkeit“ besteht (d.h. erster Bericht spätestens 2029). Dies gilt auch für Nicht-EU-Unternehmen, die in der EU einen Nettoumsatz von mehr als 150 Mio. Euro generieren und mindestens Tochtergesellschaft oder Zweigniederlassung in der EU haben. Ausgenommen sind hingegen Tochtergesellschaften, wenn deren Muttergesellschaft sie in ihren Lagebericht aufnimmt.
  • Spezifizierung der Anforderungen: Die Nachhaltigkeitserklärung muss künftig alle Angaben enthalten, die „für das Verständnis der nachhaltigkeitsrelevanten Auswirkungen der Tätigkeiten des Unternehmens sowie das Verständnis der Auswirkungen von Nachhaltigkeitsaspekten auf Geschäftsverlauf, Geschäftsergebnis und Lage des Unternehmens erforderlich sind“. Dies beinhaltet allgemeine Informationen zu Geschäftsmodell, Strategie, Nachhaltigkeitszielen, Rollen der verschiedenen Organe, Nachhaltigkeitspolitik und Due-Diligence-Prozess sowie spezifische Informationen über die tatsächlich und potenziell negativen Auswirkungen entlang der Wertschöpfungskette, über Maßnahmen zu deren Verhinderung, Minderung oder Behebung, über die wichtigsten Risiken und über die relevanten Indikatoren zur Bewertung der Nachhaltigkeit. Sie sollen zukunftsorientierte und rückblickende sowie qualitative und quantitative Angaben enthalten und müssen verständlich, relevant, repräsentativ, überprüfbar, vergleichbar und in wahrheitsgetreuer Weise dargestellt werden.
  • Einführung eines europäischen Standards: Welche Themen dabei zu berücksichtigen sind, wurde in den European Sustainability Reporting Standards (kurz: ESRS) festgelegt, die für große Unternehmen verbindlich anzuwenden sind. Darin sind fünf ökologische (Klimawandel, Umweltverschmutzung, Wasser- und Meeresressourcen, biologische Vielfalt und Ökosysteme, Ressourcennutzung und Kreislaufwirtschaft), vier soziale (eigene Belegschaft, Arbeitskräfte in der Wertschöpfungskette, betroffene Gemeinschaften, Verbraucher:innen und Endnutzer:innen) sowie ein Governance-Thema (Unternehmenspolitik) aufgeführt. Berichten müssen Unternehmen nur über jene Themen, die für sie „wesentlich“ sind – also die Auswirkungen auf Gesellschaft, Stakeholder und Umwelt („Inside-Out-Perspektive“) und/oder Auswirkungen auf die Leistung, Position und Entwicklung des Unternehmens („Outside-in-Perspektive“) haben („Doppelte Wesentlichkeit“).
  • Verpflichtung zur externen Prüfung: Die bisherigen freiwilligen Prüfungen werden durch eine verpflichtende „Prüfung mit begrenzter Sicherheit“ ersetzt, die von einem akkreditierten unabhängigen Prüfer oder Zertifizierer durchgeführt werden muss. Zu prüfen sind dabei die Übereinstimmung der Angaben mit den Berichterstattungsstandards, der Prozess zur Ermittlung der berichteten Informationen und die Kennzeichnung nach den Anforderungen des elektronischen Reporting-Formats. Künftig soll diese durch eine tiefere „Prüfung mit hinreichender Sicherheit“ ersetzt werden.
  • Transparenz bei der Veröffentlichung: Die geforderten Angaben müssen im Lagebericht des Geschäftsberichts enthalten sein, der wiederum spätestens vier Monate nach Ende des Geschäftsjahres erscheinen muss. Die Veröffentlichung muss in digitaler Form erfolgen, um die maschinelle Auswertung von Nachhaltigkeitsinformationen zu ermöglichen.

Parallel dazu wurde die EU-Taxonomie-Verordnung veröffentlicht. Diese gilt für Unternehmen analog zur CSRD-Richtlinie. Sie müssen zusätzliche Angaben über die ökologische Nachhaltigkeit einzelner wirtschaftliche Tätigkeiten machen und offenlegen, wie und in welchem Umfang die Umsatz-, Investitions- und Betriebsausgaben des Unternehmens als ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten im Sinne der Taxonomie-Verordnung einzustufen sind. Konkrete Kriterien dafür hat die EU bisher zu den Themen „Klimaschutz und Klimawandelanpassung“ und „Nuklearenergie und Gas“ veröffentlicht. Weitere sollen demnächst folgen.

Noch gar nicht rechtsverbindlich ist die CSDDD-Richtlinie (Corporate Sustainability Due Diligence Directive) der EU, die die Sorgfaltspflichten für soziale und ökologische Auswirkungen entlang der Wertschöpfungskette regeln soll. Es ist jedoch davon auszugehen, dass auch dieses in den nächsten Jahren beschlossen wird und große Unternehmen dadurch auch für Verstöße entlang der Lieferkette verantwortlich gemacht werden (z.B. Kinderarbeit, Umweltschäden).

Unabhängig davon stellen CSRD und EU-Taxonomie Unternehmen jedoch schon jetzt vor neue Haftungsfragen:

  • Ist die Berichterstattung nicht ordnungsgemäß, haben Unternehmen mit Bußgeldern von bis zu 5% des Jahresumsatzes zu rechnen – insbesondere dann, wenn sie Aussagen mit „bedingtem Vorsatz“ treffen (d.h. im Bewusstsein, dass sie möglicherweise nicht stimmen), bei vermuteten Fehlern wegsehen oder eine Thematik bewusst ignorieren.
  • Zudem müssen Unternehmen mit Schadensersatzansprüchen rechnen. Mitbewerber könnten z.B. wegen unlauterem Wettbewerb klagen.
  • Daneben könnten andere Unternehmen (Vertragspartner, Anleger, Kunden etc.) deliktische Ansprüche geltend machen, zum Beispiel Schadensersatzansprüche wegen Kapitalanlagebetrugs.
  • Zusätzlich kann das Unternehmen einen immateriellen Schaden in Form eines Reputations- und Vertrauensverlustes erleiden. Dieser hat wiederum Auswirkung auf Aktienkurs, Refinanzierungsmöglichkeiten, ggf. aber auch auf Auftragslage und Personal.

Besonders in der Verantwortung steht in diesem Kontext der Vorstand, ist die Erstellung des Lageberichts einschließlich der CSRD-Berichterstattung doch genuine Vorstandsaufgabe. Aber auch der Aufsichtsrat kann betroffen sein, wenn er den Lagebericht nicht zumindest auf Plausibilität hin prüft. Bei Fehlern können beide bußgeldpflichtig und auch regresspflichtig gegenüber dem eigenen Unternehmen werden. In besonders schweren Fällen (z.B. bei bewusstem Greenwashing) sind sogar Freiheitsstrafen für Vorstände möglich.

Insgesamt stellen CSRD, EU-Taxonomie und künftig auch CSDDD somit ein ernstzunehmendes Haftungsrisiko für Unternehmen, Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder dar. Unternehmen können dem mit einer ESG-Governance vorbeugen – d.h. mit einer klaren Nachhaltigkeitsstrategie, einer passenden Organisationsstruktur sowie Prozessen und Richtlinien, die sicherstellen, dass man allen gesetzlichen Verpflichtungen nachkommt. Oder anders gesagt: Wenn sich ein Unternehmen darum bemüht, seine negativen ökologischen und sozialen Auswirkungen zu minimieren, wird es auch künftig keine Probleme haben.

Das Institut für Nachhaltiges Wirtschaften bietet gemeinsam mit Kooperationspartnern verschiedene Instrumente und Workshops an, um Unternehmen bei der Transformation zu begleiten. Klicken Sie sich durch unsere Angebote oder kontaktieren Sie uns direkt.

Dr. Christian Kozina-Voit, 11.12.2023